Bequem nach oben

von Redaktion ‎ 25/05/2020
Winter in Österreich
Bequem nach oben

In wenigen Bereichen hat sich der Wintersport derart massiv verändert, wie beim Weg nach oben. Wer einst am Einzelsessel in der Kälte eine Dreiviertelstunde (!) durch den pfeifenden Wind auf die Tauplitzalm zuckelte und trotzdem dem Skisport treu blieb, der weiß den heutigen Komfort erst so richtig zu schätzen. In Österreich sind, je nach Quelle, noch maximal fünf Lifte mit Einzelsesseln unterwegs. Und diese dienen in der Regel eher dem Wanderer und  Ausflügler. Denn die in den letzten Jahren in Betrieb gegangenen langen Bänke, die bis zu acht Personen Platz bieten, haben beim Ausstieg meist Gefälle, um Chaos zu verhindern. Sie sind also in der Regel nur mit Gleitgerätschaft an den Beinen zu nutzen und damit für den Sommer ungeeignet. Immer häufiger werden – auch für kürzere Distanzen – Gondelbahnen errichtet. Sie bieten den Vorteil weniger der Witterung ausgesetzt zu sein. Und diese für 6 bis 18 Personen gedachten Kabinen sind optimal, um mit Kindern nach oben zu fahren. Diese kleinen, kuppelbaren Gondeln sind natürlich absolut ganzjahrestauglich – auch wenn es vergangenen Sommer in manchen der Panoramakabinen 
unsäglich heiß geworden ist. Wer diese Bahnen nicht wirklich liebt, sind manche Hardcore-Skiläufer, die nie ab- und anschnallen wollen. Besonders Gäste aus Übersee stehen Gondeln für Wiederholungsfahrten eher skeptisch gegenüber. Wobei in Nordamerika das Komfortverständnis beim Skilauf ohnehin ungewöhnlich ist: Häufig sind dort ältere Lifte im Einsatz – und Fußraster unbekannt. Was in Österreich neben den Einsersesselliften verschwindet sind zunehmend Schlepplifte, die aber ebenfalls treue Anhänger haben. Immerhin bleibt hier auch bei der Auffahrt das Skigefühl aufrecht. Keineswegs ganz verschwunden sind die Schwebebahnen mit ihren über 100 Personen auf einmal  transportierenden Megagondeln. Sie schaffen den Höhenunterschied besonders schnell und kommen vor allem zum Einsatz, wo tiefe Täler überspannt werden.Österreich wird auch international als „Komfortweltmeister“ bei den Aufstiegshilfen gesehen. Aber was ist Komfort wirklich? Der Ski Guide Austria hat sich erstmals mit den Profis des heimischen Seilbahnriesen Doppelmayr auf die Suche nach Antworten auf diese Frage begeben und folgt hier dem Ablauf eines Skitages.

PHASE 1: AUF ZUM LIFT
Auf diese Phase hat zwar der Seilbahnproduzent noch wenig Einfluss, doch gerade hier kann die Unlust an künftigen Skitagen am größten werden, wie Befragungen zeigen. Es beginnt bei den Parkmöglichkeiten. Das Nonplusultra sind Parkgaragen, doch die Parkplätze sollten zumindest asphaltiert sein und nicht an sonnigen Tagen zu Schlammgruben 
werden. Frauenparkplätze gibt es manchmal in den Garagen, doch Wintersportler mit kleinen Kindern fordern mehr Familienparkplätze. Denn es ist kein gutes Gefühl, Vierjährige allein an der Talstation warten zu lassen, bis man eintrifft. Doch mit drei paar Ski 10 Minuten zu wandern ist noch schlimmer. Dass es manchmal eines Shuttlebusses bedarf, um vom Parkplatz zur Talstation zu gelangen, begeistert ebenfalls kaum. Natürlich ist es sinnvoller, gleich 
öffentlich anzureisen. Doch die Skibusse sind nicht immer Niederflur – und Stufensteigen im Gedränge mit den Skiutensilien in den Händen nicht jedermanns Sache. Direkten Bahnanschluss an die Piste kennt man nur selten: Verbrieft geht das in zwei Gemeinden im Südtiroler Pustertal und in Bad Gastein am Stubnerkogel.

PHASE 2: IN DER TALSTATION
Je nach Seilbahnsystem gibt es verschiedene Möglichkeiten, den Einstieg für die Fahrgäste so komfortabel und sicher wie möglich zu gestalten. Bei Sesselbahnen gibt es beispielsweise bei Doppelmayr höhenverstellbare Förderbänder, die sich auch an die Größe der kleinen Fahrgäste anpassen, damit sie leicht und ohne Hilfe einsteigen können. Bei Kabinenbahnen gibt es komplett barrierefreie Modelle, bei denen keine Stufe und kein Spalt zwischen Einstiegsplattform und Kabine vorhanden ist. Damit sind diese Anlagen der neuen Generation sogar Kinderwagen- oder Rollstuhltauglich. Deshalb werden auch immer mehr der großen Talstationen mit Rolltreppen und Aufzügen ausgestattet. Die Kunst liegt heute aber oft in der Einteilung: Wie kann die möglichst optimale Personenzahl ohne Stress in die Gondel gelangen? Denn eines ist klar: Der größte Komfortgewinn gegenüber früher liegt in den gegen Null reduzierten Anstellzeiten. Bei den Sesselliften sind die größeren Anlagen längst kuppelbare Lifte. Da ist der Einstieg sehr gemütlich. Nur mehr selten sind die am Seil fixierten Sessel für maximal drei Personen zu finden. Der berüchtigte Kniekehlen-Killereffekt wird selbst dann heute in acht von zehn Fällen durch den Einsatz von Förderbändern eliminiert. 

PHASE 3: AM LIFT
Was wird momentan als am bequemsten empfunden? Diese Frage beschäftige die Doppelmayr-Ingenieure tagtäglich. „Wir lernen hier viel von unseren Kunden und den Feedbacks der Gäste“, sagt Julia Schwärzler, Leiterin Marketing und Öffentlichkeitsarbeit bei Doppelmayr. In der Entwicklung der D-Line, der jüngsten Seilbahngeneration von Doppelmayr, sind solche Erfahrungen eingeflossen. Beim Sitzkomfort wurde zugelegt, Form und Material weiter verbessert. Hinzu 
kommt die Sitzheizung in der Gondel und beim Sessellift. Letztere werden immer häufiger mit Bubbles ausgestattet, die Schutz vor Wind und Wetter bieten. Besonders wo es Skischulen gibt, wird zunehmend auf die Kleinsten Rücksicht genommen. Etwa durch immer bessere Kindersicherungen. Manchmal nur auf den Außenplätzen, in den neuen Bahnen auf allen Sitzen. Was das Durchrutschen der Kleinsten verhindert, kann bei gewichtigen Männern aber zu 
einschneidenden Erlebnissen führen. Aus den schon beschriebenen Gründen gibt es auch Kombibahnen mit abwechselnd Gondeln und Sitzbänken. Apropos Kombibahn: Nach dem 2. Weltkrieg gab’s in der Schweiz mal einen Kombilift, wo am Seil abwechselnd Sessel und Schleppliftbügel befestigt waren. 

PHASE 4: WO SIND MEINE SKI?
Ski innen – oder doch lieber außen – wird oft als Geschmackssache empfunden. Deshalb überlässt der Seilbahnproduzent auch den Seilbahnern beim Kauf die Entscheidung. Bei Anlagen, bei denen die Skier außen transportiert werden, haben die Gäste während der Fahrt angenehm Platz in der Kabine, die Hände frei – und es tropft nicht der schmelzende Schnee auf Brillen und Kleidung. Bei Anlagen, bei denen die Skier innen transportiert werden, stresst die Fahrgäste das Ein- und Aussteigen in der Regel weniger. Beim Kabinenherstellers CWA gibt es das Twist-in System, das zum Beispiel am Arlberg zu finden ist. Da sind im Inneren der Kabine entsprechende Schlitze für die Skier vorgesehen, in denen diese während der Fahrt fixiert werden können. Die Hände sind frei, allerdings zeigt die Erfahrung, dass es bei breiteren Skiern Geschick und Kraft braucht, um die Geräte vor dem Ausstieg wieder heraus zu ziehen. 

PHASE 5: UNTERHALTUNG IN DER GONDEL
Je mehr Menschen gleichzeitig transportiert werden, desto wichtiger ist ihnen die Kommunikation. Also nicht unbedingt miteinander, sondern elektronisch. Inzwischen liefert der Seilbahnbauer ein Infotainment-Angebot mit. Die Varianten sind dabei vielfältig: Von W-Lan in der Kabine bis zu Jukebox-Gondeln, die via APP individuell beschallt werden können (in Zell am See), sowie Informationen rund um das Skigebiet oder die Region, die in Themengondeln eingespielt  werden (Breitspitzbahn Galtür), Infoscreens und manches mehr. 

PHASE 6: SPEED
Für einen gelungenen Skitag spielt das Tempo der Bahn eine große Rolle. Werden vom Tal wie bei der Rekordbahn am Gaislachkogl bis zu 4.500 Personen pro Stunde nach oben gehievt, dann gibt’s kaum mehr Wartezeiten. Sofern das Skigebiet darauf abgestimmt ist. Doch mit fast jeder Neuerung treten irgendwo im Skigebiet neue „Engstellen“ auf, an 
denen es zu bestimmten Tageszeiten staut. Bei den Geschwindigkeiten gilt: Fixgeklemmte Anlagen sind etwas langsamer unterwegs als kuppelbare Anlagen, Einseilumlaufbahnen sind meist mit 5 oder 6 m/s unterwegs, Dreiseilbahnen (3S) erreichen eine Maximalgeschwindigkeit von 8,5 m/s, die großen Pendelbahnen sind bis zu 12 m/s schnell. Diese Unterschiede ergeben sich durch die unterschiedlichen Technologien, die zur Anwendung kommen. Ist die Auslastung der Bahn am Saisonrand geringer, lassen die Bergbahnen manchmal den Gast länger baumeln. Nicht, damit es nach mehr Andrang aussieht, sondern um Stromkosten zu sparen. Lässt sich aber natürlich auch ökologisch begründen. 

PHASE 7: AN DER BERGSTATION
Selten aber doch erfährt der Fahrkomfort ein abruptes Ende. Etwa wenn an Bergstationen keine Gebäude errichtet werden, obwohl es zeitweise oder immer (Beispiel Hochötz) keine Talabfahrten gibt, sich dort also oft bei Schlechtwettereinbruch oder gegen 16 Uhr große Anstellzeiten ergeben. Aber in der Regel sind Anlagen, bei denen Talbeförderung geplant oder üblich sind, auch im Stationsbereich dafür ausgelegt.Es summiert sich also ganz schön, was unter „Liftkomfort“ beansprucht wird. Kein Wunder, dass die Anlagen so kostspielig sind. Wobei: Wenn die Bergbahnen Mayrhofen für diesen Winter 18 Millionen Euro in die 10er-Einseilumlaufbahn auf den Penken investierten, heißt das nicht, dass dieser Betrag nach Wolfurt zu Doppelmayr überwiesen wird. Denn je nach Anlage und Bauweise fließt viel Geld in Planungskosten, Genehmigungsverfahren und den Bau der Berg- und Talstationen, die heute fast überall mit Shops, Verleih, Kassen und Restaurants ausgestattet werden. Denn das alles gehört natürlich auch zu 
unserem Komfortanspruch.